Japanstipendium - mein Abschlussbericht

January 12, 2022
Mehrtägige Reisen

Zu aller erst

Dank dem DAAD war es mir möglich mitte November 2020 nach Japan zu Reisen und bis Ende Dezember 2022 finanziell gefördert zu werden um vom Oktober 2020 (als ich noch in Deutschland gewesen bin) bis Ende Juni 2021 an einem Japanisch-Sprachkurs Teilzunehmen, der bis auf 3 Präsenztage leider ausschließlich online stattfinden musste und von Anfang Juli 2021 bis Ende Dezember 2021 an einem Praktikum bei einem Startup namens ListenField teilzunehmen.
Wenn ich nun auf diese Zeit zurückblicke, so bereue ich keine Sekunde lang damals die entscheidung getroffen zu haben mich für dieses Stipendium zu bewerben und dieses, nachdem ich ausgewählt wurde, angenommen zu haben. 

Meine Anfangszeit - aller Anfang ist schwer

Als ich das Stipendium angetreten habe war ich in einer Gruppe von insgesamt 9 Leuten, welche ich nun allesamt gute Freunde nennen kann, eine von insgesamt 3 Personen, welche noch gar keine Japanisch-Kenntnisse besaß.

In der Tat war die Einreise nach Japan besonders zu dieser Zeit und vor allem unter anbetracht der Tatsache, dass ich noch kein Japanisch verstehen konnte, schwerer als es üblich der Fall war. Zu dem haufen an Papierkram, welcher bereits normalerweise für die Visumsbeantragung anfiel, gesellte sich dann noch mal ein ganzer Haufen an Papierkram und verpflichtenden Tests aufgrund verschärfter Corona-Maßnahmen.

Zum Glück hatten wir seinerzeit tatkräftigen Beistand vom DAAD und auch von Google Sensei, dessen Übersetzungsfunktion sich nützlicher als je zuvor, wenn auch nicht immer richtig, erwiesen hatte, sodass auch diejenigen aus unserer Gruppe, welche keine Japanisch-Kenntnisse besaßen, das ganze Bewältigen konnte. 

Uns allen ist ein Stein vom Herzen gefallen, als wir es in Japan dann endlich aus dem Flughafen in unsere erste Unterkunft geschafft hatten

Was ich insgesamt sagen möchte ist, dass eine Einreise nach Japan, sei es mit oder ohne Unterstützung des DAADs, keineswegs so einfach ist, wie einfach mal in ein benachbartes Land, z.B. Frankreich, Österreich oder sonst eines, zu reisen ist, es jedoch selbst für Leute ohne Japanisch Kenntnisse zu dieser nicht ganz so beschwerdefreien Zeit nicht unmöglich ist.

Nach der Einreise in Japan, glich mein Gemütszustand eine Achterbahnfahrt von totaler Euphorie über verrückte Gegenstände/Plätze wie zum Beispiel Pokemon Center, unfassbar schönen Parks oder kleinen, lokalen, super leckeren japanischen Restaurants

Friseurschild in Japan

bis hin zu totaler Frustration über die Unfähigkeit einfache Sachen wie zum Beispiel beim Einkaufen gehen Sachen zu finden die man zum Kochen benutzen möchte oder Arztbesuche für einen kurzen Rat zu irgendwelchen Beschwerden allein zu bewältigen, weil in Japan doch relativ viel oftmals nur in Japanisch (& gelegentlich Chinesisch sowie Koreanisch) gehalten wird. 

Einer meiner ersten Einkäufe... einfach kaufen, was vertraut erscheint!


Natürlich existieren hier und dort auch englischsprachige Alternativen, allerdings findet man diese erstens nicht zu hauf und zweitens möchte man ja nicht immer der Ausländer sein, der mit der dortigen Alltagssprache nicht klar kommt. 

Heute

Selbst heute, nach über 12 Monaten in denen ich mich schon tagtäglich mit der Japanischen Sprache beschäftige muss ich immer mal wieder Feststellen, dass ich an meine Grenzen komme. Zwar habe ich im Dezember die JLPT 3 Prüfung (Insgesamt gibt es die Stufen 1 (fließend) bis 5 (beginner)) abgelegt und bin guter Dinge, dass ich bestanden habe aber dennoch ist es hier und da immer noch frustrierend, wenn man kaum etwas versteht.

In normalen Alltagsgesprächen kann ich zwar mittlerweile problemlos ausdrücken, was ich sagen möchte, jedoch hatte ich mich vor einigen Tagen einmal na Japanischen Nachrichten versucht und musste feststellen, dass ich erfreulicher Weise die Rede eines Politikers zwar zu großen Teilen verstanden hatte, die ganzen zusätzlichen Infos des Hintergrund Kommentators jedoch so gut wie überhaupt nicht. In dem Moment dachte ich mir “wenn ich selbst nach über einem Jahr weniger als 10% von dem Verstehe, was dort gesagt wurde, wann werde ich in der Lage das das vollends zu verstehen?

(Kartenlesen war auch nicht ganz so einfach…)

Kartenlesen war nicht immer einfach...

Meine Erfahrungen in Japan...

Naja nun weiter im Text zu meinen Erfahrungen dieser Zeit. Natürlich schwebte während der ganzen Zeit in der wir nun schon in Japan sind der Schatten von Corona, sodass unter anderem mehrere Emergency States ausgerufen worden waren, während welchen Restaurants früher geschlossen haben, empfehlungen ausgesprochen wurden private Reisen weitmöglichst einzuschränken und noch andere Maßnahmen getroffen wurden um die Ausbreitung des Virus so gut es ging einzudämmen, jedoch gab es hier und dort doch mal Zeitfenster, in denen es etwas entspannter zuging und in denen unsere Stipendien Crew endlich auch einmal dem anderen Ziel dieses Stipendiums hinterhergehen konnten: Das Land/die Kultur zu erleben. Natürlich sind wir nicht in die dicht bevölkerten Regionen aufgebrochen um uns die Nächte um die Ohren zu schlagen, dafür wäre mir die wenige Zeit die wir zum Reisen hatten ehrlich gesagt auch zu schade gewesen, da es so viele wundervolle Orte in Japan zu bereisen gibt. Wir haben unsere Zeit also genutzt um verschiedene Teile Japans unter anderem die sogenannte Tohoku Region, Kyushu, Hakone, die Spitze des berühmten Fujis und viele andere schöne Orte Japans zu bereisen, erleben und gemeinsam zu genießen. 

Sonnenaufgang von der Spitze des Fujis aus. Da wird einem bewusst, wie klein man im Vergleich zum Rest der Welt eigentlich ist...

Auf keinen Fall möchte ich die Tatsache außer acht lassen, dass unser Gruppenzusammenhalt unglaublich stark gewesen ist, was die ganze Erfahrung noch einmal um ein vielfaches besser gemacht hat. Natürlich ist es nicht garantiert, dass wenn man am selben Stipendium teilnimmt, man sich mit allen Leuten versteht, jedoch hatten wir das Glück, dass es so gewesen ist und wir uns gegenseitig stets so gut es ging unterstützt haben. Ehrlich gesagt fällt mir kein Moment ein, indem es wirkliche Streitereien in unserer Gruppe gab. Klar jeder hat seine persönlichen Präferenzen, Geschmäcker und Eigenarten aber im Großen und ganzen sind wir dem immer mit Verständnis und Neugier begegnet und nie mit Ignoranz.

Unser Mittel gegen Einsamkeit - Zusammenhalt!
..zuerst in der Schule...

Bis zum Juni 2021 haben wir seinerzeit die sogenannte Naganuma-Schule in Shibuya besucht und ich kann nach wie vor immernoch nur sagen, dass ich fassungslos bin, wie gut die Lehrer den Online-Unterricht durchgeführt haben. 

In meinem Leben habe ich bisher noch nicht einen über solch lange Zeit anhaltenden Lebendigen, engagierten Unterricht von seiten der Lehrer sowohl der Schüler erlebt. Die Lehrer haben seinerzeit echt ganze Arbeit geleistet wenn es um Vorbereitung und Durchführung von natürlichem, spaßigen aber auch seriösen und vor allem interaktiven Unterricht, wovon ein Sprachunterricht lebt, geleistet. An dieser Stelle auch noch einmal ein großes Lob an alle Lehrer ohne die mein Sprachlevel sicherlich nicht auf dem Niveau wäre, auf dem es heute ist. Vielen Dank, ich werde die Zeit sicherlich nicht so schnell vergessen. 

Nach dem insgesamt 10-monatigen (eigentlich waren es nur 9 + 2 Wochen Intensiv-Vorbereitungskurs) Sprachkurs hieß es dann im Anschluss ein Praktikum von 6 Monaten zu absolvieren. An der Stelle sei wohlgemerkt, dass es gar nicht so einfach war ein solches Praktikum zu finden. Natürlich kommt es immer auf den persönlichen Background an. Bei mir war es ein Mathematikstudium mit dem Beifach Wirtschaftswissenschaften und gerne wäre ich in Richtung AI, Robotics oder im allgemeinen Technologie gegangen. Darüber hinaus hatte ich nach Startups geschaut, was mein persönlicher geheimtipp wäre für die Praktikumssuche, da diese in der Regel schneller Antworten. Hier muss halt nicht alles erst durch eine ewig lange Leiter Befehlsketten laufen bis irgendjemand seinen Stempel geben kann oder eine Antwort gegeben werden kann.
Darauf dass oftmals gar keine Antwort zurück kommt, sollte man sich auf jeden Fall einstellen und sich davon nicht entmutigen lassen. 

...und dann im Praktikum

Wie zu Beginn bereits erwähnt habe ich letztens endes meinen Platz im Start-Up ListenField gefunden und dort im Bereich Business Development, Website Entwicklung sowie hauptsächlich Research mitgeholfen. 

Insgesamt bin ich froh, dass ich mein Praktikum hier absolviert habe, da es mir neben netten Kollegen, flexiblen Arbeitszeiten und flachen Hierarchien mir die Möglichkeit geboten hat 2.5 Monate bei meinem CSO Dr. Honda in Kasugai (das liegt in der nähe von Nagoya) einen Homestay zu machen was mir Japan noch einmal von einer ganz anderen Seite gezeigt hat. Zum einen konnte ich mal für längere Zeit außerhalb der Großstadt Tokyo leben und zum anderen kann man von Nagoya aus so einige tolle Tages/Wochenendtrips machen. Die Städte Kyoto und Nara, Städte, welche ich Leuten für einen Besuch empfehlen würde wenn sie gerne einmal das etwas traditionellere Japan sehen wollen (vor allem erstere), liegen auch um einiges näher als an Tokyo. 

Kiyomizu-dera in Kyoto
Klassisch für Nara, Hirsche

Ein kleiner Wermutstropfen

Zum Schluss wollte ich euch eine ein wenig Euphorie dämpfende Erfahrung jedoch nicht vorenthalten: Wenn ihr anschließend in Japan Fuß fassen wollt sind, verglichen zu Deutschland, sehr geringe Einstiegsgehälter.
Ich habe ein wenig recherchiert und laut Internet lag das Durchschnittliche Einstiegsgehalt für Neu Graduierte in Japan 2020 bei ¥210,200, was umgerechnet 1603,83€/Monat, wohingegen das deutsche Durchschnittsgehalt mit knapp 3700€/Monat mehr als doppelt so hoch liegt. Das liegt unter anderem daran, dass in Japan zum einen die Arbeitgeber zu Beginn oft sehr stark vergünstigte Apartments stellen und von den Bewerbern in der Regel keine Vorkenntnisse erwarten. In vielen Einstiegs-Berufen ist es relativ egal, was man zuvor studiert hat und dementsprechend werden die neuen Absolventen/innen die ersten zwei Jahre angelernt. Das spiegelt sich dann auch in der vor allem zu Beginn relativ rasch ansteigenden Gehaltskurve nieder.
Nichtsdestotrotz ist es ein wenig schockierend, wenn man sich die Durchschnittsgehälter des ganzen Landes anschaut. Hier stehen ca. 3100€ in Deutschland ca. 2000€ in Japan gegenüber. Das ganze ist jetzt sehr stark verallgemeinert und wenn ihr den Traum habt nach Japan zu Reisen oder gar euren Lebensmittelpunkt dorthin zu verlagern, sollte euch dies keinesfalls aufhalten.

Mein Schlusswort

Japan ist ein unglaublich tolles Land, welches tolle Natur, eine rücksichtsvolle, höfliche, eher zurückhaltende Gesellschaft, eine Fülle an sehr sehr leckerem Essen sowie im Gegensatz zu Deutschland so wie das ganze Jahr über herrliches sonniges Wetter zu bieten hat. Wem diese Faktoren wichtig sind, der kann den kleinen Wermutstropfen eines  geringeren Durchschnittsgehalts (!) denke ich in kauf nehmen. Ich meine im Endeffekt können sich die Zahlen von Person zu Person drastisch unterscheiden, sodass es Leute gibt, welche nach Japan ausgewandert sind und dort im Endeffekt sogar ein höheres Gehalt erzielen konnten, als es in Deutschland vielleicht der Fall gewesen wäre.

Worauf wartet ihr also noch, zieht los und erlebt dieses wundervolle Land und ein paar seiner Facetten, ihr werdet es sicherlich nicht bereuen!


Danke fürs Lesen und viel Spaß! (Die Symbole sind klickbar!)
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KanakInTokyo aka MaikelKanakInTokyo aka Maikel

Ich heiße Maikel und bin im November 2020 von Deutschland aus im Rahmen eines Stipendiums nach Japan, Tokyo gereist. Die Faszination für Japan hat damals mit Animes begonnen, hat sich im Rahmen der Vorbereitung auf mein damaliges Motivationsschreiben fürs Stipendium erweitert und wird Tag für Tag in Japan größer und größer. Im Moment absolviere ich ein Praktikum bei einem japanisch-thailändischem Startup, welches bis zum März des kommenden Jahres andauern wird. Was danach ansteht, weiß ich noch nicht so genau.

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